Heimat – Heimatgeschichte – Heimatvertriebene – Zuwanderung –

 

Gedanken zum neuen Jahr

 

Das Gemeindejubiläum 2013 

Das Jubiläumsjahr 2013 ist Geschichte.  Anlässlich der ersten schriftlichen Erwähnung Wettringens vor 1175 Jahren fanden zahlreiche Veranstaltungen statt, die das Jubiläumsjahr zu einem unvergesslichen Ereignis werden ließen.Und immer wieder spürte man den ausgeprägte Bürgersinn, die Heimatliebe zum „Hiärtken van die Wiält“, das vielfältige ehrenamtliche Engagement. 

 

Bürgermeister Engelbert Rauen erinnerte zum Jahreswechsel voll Dankbarkeit und Freude im Rückblick auf das grandiose Jubiläumsjahr daran, dass wir „unter Bedingungen leben, wie es nie zuvor eine Generation in Wettringen tun konnte“. Sicherlich – auch die privaten Schicksalsschläge, Krankheiten und Enttäuschungen gab es in 2013. 

 

Die „NS-Prophezeihung“ aus dem Jubiläumsjahr 1938

Eine fast siebzigjährige Friedensperiode hat es in der deutschen Geschichte nicht gegeben. Doch die unschätzbaren Werte  Frieden und Freiheit sind für viele selbstverständlich. In dem Zusammenhang  sei noch einmal an „die „Prophezeiung von 1938“ erinnert.. Im Jubiläumsbuch von 1938  schrieb der NS-Autor pathetisch: „Wenn im Jahre 2038 die Menschen sich wieder in dieser Gemeinde zusammenfinden… werden sie unsere Generation beneiden, weil sie  eine große Zeit durchleben durfte“. Und mit dem Führer „marschieren wir hinein in eine frohe und glückhafte Zukunft“  (siehe dazu ausführlicher :„Streifzüge“, S.27, die Broschüre zur Wettringer Geschichte ist im Bürgeramt des Rathauses für 3 € erhältlich)

 

Aber das „1000jährige Reich“ der Nationalsozialisten brachte nicht diese paradiesische Zukunft. Die 12 Jahre von 1933 bis 1945 sind verbunden mit unsäglichem Leid, Terror, Völkermord und dem Tod vieler Millionen Soldaten und Zivilisten.  

 

Wettringen nach 1945 – neue Heimat für 1200 Heimatvertriebene?!

Über 14 Millionen Deutsche aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße, aus Polen, aus dem Sudetenland und anderen deutschen Siedlungsräumen in Osteuropa mussten besonders bitter für den Rassenwahn und die Untaten in deutschem Namen im Osten büßen. Über zwei Millionen Frauen, Kinder und alte Leute haben Flucht und Vertreibung in den Jahren 1945 und 1946 nicht überlebt. Die Zwangsumsiedlung  und der plötzliche Zuzug der Vertriebenen in die ländlichen Gebiete der Westzonen brachten gewaltige Probleme und soziale Spannungen. 

 

Es ist kaum vorstellbar - aber Wettringen mit seinen  damals etwa 4000 Einwohnern hat in den bitteren Nachkriegsjahren über 1200 Vertriebene aufgenommen! Die erste Gruppe von Flüchtlingen kam im Oktober 1945, etwa 100 Personen folgten im März 1946. Fast wöchentlich wurden kleinere und größere Gruppen zugewiesen. Am 24.8. 1946 trafen 120 Personen aus dem kleinen Dorf Freiwalde (Glatzer Bergland) ein. Durch Sammlungen in der Bevölkerung und durch staatliche Zuteilungen  konnte das Lebensnotwendigste für die besitzlosen Vertriebenen beschafft werden. Von Okt. 1946 bis Juni 1948 wurden in der alten Schule täglich etwa 150 Portionen Mittagessen an die Bedürftigsten verteilt. Die größte Herausforderung war die Wohnraumbeschaffung. Der Richtwert betrug 5 qm pro Erwachsene, für Kinder 2-3 qm. Doch das Zusammenrücken in den Häusern reichte nicht aus, um über 1200 Neubürgern eine Wohnung zu bieten.  In Scheunen und Ställen wurden Notunterkünfte eingerichtet. Primitive Behelfsunterkünfte mussten gebaut werden.

Und wie überall werden die Heimatvertriebenen  in unserer Gemeinde beides erlebt haben – eine ablehnende Haltung, aber auch größtmögliche Hilfe. Inwieweit die Vertriebenen hier eine zweite Heimat gefunden haben, hängt von diesen einzelnen, konkreten Erfahrungen ab.

 

Heimatgeschichtlicher Kaminabend  am 5. Februar

 

Nach fast sieben Jahrzehnten möchte der Heimatverein diese Thematik aufgreifen: im Rahmen eines heimatgeschichtlichen Kaminabends am 5. Februar werden sicherlich viele Heimatvertriebene  über ihre Erfahrungen bei der Vertreibung und den Neuanfang in Wettringen nach so langer Zeit austauschen wollen.  Zu dem Abend „Wettringen – neue Heimat für die Heimatvertriebenen?!“  , der um 19.30 Uhr im Heimathaus beginnt, sind auch die „Alteingessenenen“ und besonders die junge Generation herzlich eingeladen. 

 

 

Die aktuelle Diskussion um Flucht  und Einwanderung

Heimat bedeutet, sich geborgen fühlen, verwurzelt sein. Damals wie heute wiegt der Verlust der Heimat schwer. Flucht aus der geliebten Heimat und Entwurzelung sind auch heute noch ein Thema. In den Zeitungen und aktuellen Diskussionen an Stammtischen und politischen Magazinen geht es um Kriegsflüchtlinge, Armutszuwanderer, Missbrauch der deutschen Sozialsysteme. 150 Sternsinger haben am vergangenen Wochenende in  unserer Gemeinde in beeindruckender Weise mit ihrer diesjährigen  Sammelaktion für Flüchtlingskinder konkrete Nächstenliebe und Solidarität bewiesen. Und viele Bürger haben diese Aktion gerne durch oft großzügige Spenden unterstützt. 

 

Doch da stellen sich Fragen

Wird nicht zu oft undifferenziert, oberflächlich diskutiert? Wieso folgt auf zunächst schockierende Meldungen schnell allgemeine Gleichgültigkeit?. Sind wir nicht abgestumpft angesichts der elenden Bilder von syrischen Kriegsflüchtlingen und der Meldungen über  unmenschliche Flüchtlingsschicksale vor der Mittelmeerinsel Lampedusa? Berühren uns die

aktuellen Fernsehberichte über die Schutz Suchenden im sudanesichen Bürgerkrieg überhaupt noch?

Andererseits - darf und muss das  aktuelle Problem der ungezügelten „Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme“ nicht auch bedacht und objektiv angegangen werden? Wird genug differenziert zwischen integrationswilligen und leistungsbereiten Flüchtlingen und skrupellosen Nutznießern unserer deutschen Sozialsysteme? Wird bei dumpfen Verallgemeinerungen nicht unterschlagen, dass in einzelnen Bereichen des deutschen Arbeitsmarktes inzwischen ausländische Arbeitskräfte dringend benötigt werden?  Welche Hilfe geben wir den Menschen aus den verschiedensten Krisengebieten Europas und Afrikas, die unserer Gemeinde  in diesen Monaten verstärkt zugewiesen werden. Nutzen diese ihre Chance, können sie in Wettringen Wurzeln schlagen, Heimat erfahren? Viele Fragen stellen sich, schnelle Patentlösungen gibt es nicht.

 

 

Werner Janning

Vorsitzender des Heimatvereins Wettringen