Die revolutionäre Bewegung des Jahres 1848 erschütterte Frankreich und ergriff auch Deutschland, Österreich, Ungarn und Italien. Studenten- und Arbeiterdemonstrationen führten in Paris zur Februarevolution von 1848. In den deutschen Staaten waren der bürgerliche Mittelstand und die Masse des Kleinbürgertums die Träger der folgenden revolutionären Bewegung, die nationale und liberale Ziele verfolgte.

Darum ging es bei der „Revolution in Wettringen“ weniger und sicherlich war es auch nicht das von Marx und Engels im Februar 1848 veröffentlichte Manifest, das zum „Aufstand“ führte. Immerhin wurde im März 1848 in Wettringen bekannt, dass auch in Münster revolutionäre Unruhen ausgebrochen seien. Anscheinend dadurch motiviert, wagten einige Wettringer ebenso den Aufstand gegen die preußische Obrigkeit. Wie kam es dazu?

Nach dem Ende der napoleonischen Zeit fielen 1815 durch den Wiener Kongress die Gebiete des ehemaligen Fürstbistums Münster an Preußen. Im Münsterland gab es allerdings wenig Sympathie für den preußisch- protestantischen Staat. 1834 war unter preußischer Führung der Deutsche Zollverein gegründet worden, das Königreich Hannover aber gehörte nicht dazu.

An der heutigen Straße von Haddorf nach Ohne – etwa 150 Meter vor der preußisch-hannoverschen Landesgrenze beziehungsweise der Gemeindegrenze Ohne- Wettringen – lag das preußische Zollhaus. Die preußischen Zollbeamten erwischten in den unruhigen Märztagen ein Wettringer Mädchen, das eine Rolle Leinen von Haddorf nach Ohne schmuggeln wollte. Das Leinen wurde beschlagnahmt und die Magd sollte 14 Reichstaler als Strafe zahlen – eine sehr hohe Strafe, zumal Mägde damals nur etwa sechs bis acht Reichstaler jährlich an Bargeld ausgezahlt bekamen.

Als das im Ort bekannt wurde, ertönte am 29. März 1848 die Brandglocke. Die Männer wurden zur Gaststätte Kauling gerufen. Diese „Herberge zur Heimat“ am Hügel – das Gebäude ist heu- te im Besitz der Familie Höffer – war für „die Kommunikation im Dorf“ wichtig, zumal das Gasthaus auch als Ausspannstelle der Fuhrleute diente. In dem ehemaligen Gelagshaus der Männerschützengilde und des Junggesellenschützenvereins wurde die Beschlagnahmung des Leinens und Bestrafung der Magd „in den grellsten Farben geschildert. Den Zollbeamten, den prüesken Kommißköpp, wurde ewige Rache geschworen“, hieß es im Juni 1963 im Zeitungsbericht von Franz Brüning. Wortführer waren der Kaufmann Drießen und Johann Zeppenfeld, der Leiter der Faktorei Cruse.

Mit reichlich Schnaps und Bier wurden die Männer in Wallung gebracht. „Und als ein Lokaldichter den Vers „Vör Frieden, Gliekhiet un ne Republik, dann wär wi de Prüßen quitt“ in die versammelte Schar hineinrief, kannte die Begeisterung keine Grenzen mehr“: Das Zollhaus sollte gestürmt, die Zöllner festgenommen und dem Mädchen Leinen und Geld wieder beschafft werden.

Und so zogen nachmittags 30 junge Männer, mit Heugabeln Knüppeln und zehn Gewehren los. Der mitgeführte Schnaps und vereinzelt abgegebene Schüsse sorgten für die Stimmung in der Truppe. Doch unterwegs bekamen es einige mit der Angst zu tun, sie meldeten sich wegen angeblicher Magenbeschwerden und Durchfall ab. Bei einer Lagebesprechung in Haddorf wurde geklärt, wie die Zollbeamten überrumpelt und festgenommen werden sollen. Doch die Preußen ließen sich nicht überraschen; sie hatten von dem geplanten Überfall erfahren. Als die Freischärler sich dem Zollhaus näherten, lagen die Zollbeamten mit ihren Gewehren schussbereit in den geöffneten Fenstern ihres Zollhauses. Nach einigen Warnschüssen wurde der Kampf aufgegeben, und der Trupp zog sich in die Wirtschaft Schultengerds (später Bakker) zurück. „Die mutigen Streiter prahlten mit ihren Heldentaten und versprachen den Haddorfern, am nächsten Tag mit stärkeren Kräften zurückzukommen. Spät in der Nacht, stark betrunken, kehrten die Revolutionäre in ihr dörfliches Heim zurück“, berichtete die Zeitung. Der für den anderen Tag angekündigte Angriff fiel aus. Ein starkes Gendarmerieaufgebot verhaftete und vernahm zwei Tage danach einige Wettringer. Zwei „Revolutionäre“, Anton Weiper und Joop Schulten, wurden zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, die Strafe mussten sie in Coesfeld absitzen. 

Das europäische Revolutionsjahr 1848 ist die Grundlage für die Parkleuchten-Inszenierung am Wochenende.


Über den Autor: 

Werner Janning, 1950 in Wettringen geboren, war 30 Jahre Lehrer an der Friedens-Hauptschule seiner Heimatgemeinde. Er ist Vorsitzender des Wettringer Heimatver- eins und schreibt u.a. heimatgeschichtliche Beiträge. Diesen Beitrag hat er für das Kreisjahrbuch 2017 verfasst.