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Der Vorstand des Heimatvereins Wettringen freute sich am Donnerstagabend. Unerwartet viele Interessenten – etwa 60 – waren zum heimatgeschichtlichen Kaminabend ins Heimathaus gekommen, unter ihnen auch jüngere Menschen, die etwas über die Kriegs- und Nachkriegszeit in Wettringen erfahren wollten. So manches wurde in Erinnerung gerufen, was zwar bekannt war, sich aber immer wieder gut erzählen lässt, z.B. die Bedeutung eines „Wiegeschweines“ während der Zeit des Schwarzschlachtens. Da gab es wohl mehrere, die den Weg zu einer Waage und zurück in den heimatlichen Stall kannten und fast alleine zurücklegten. Die für sie ausgestellte Wiegekarten brachten anderen nicht Glück, es war der Schlachtschein zur Vorlage bei der Kontrollbehörde aus Unna. Wer schlachtete, hatte abzugeben, und daran sich vorbeizudrücken, das gelang öfter. Kontrolleure kamen immer wieder, wurden in der Regel aber vorher auf welchem Weg auch immer  verpfiffen. Und ob sie immer jemand erwischen wollten, der schwarz geschlachtet hatte, ist die Frage. Solche Besuche und auch die der Polizei blieben mehrfach nicht geheim und Wettringens Polizist in schwarzer Uniform, ein Herr Brüggemann, gab gerne Winke und hielt Anzeigen zurück. Er kam noch in den 50er Jahren gerne nach Wettringen und besuchte Bekannte im Rathaus. Wohnhaft geworden war er in Dortmund.

Herzlich lachen mussten die Besucher, als von einem Unna-Kontrolleur berichtet wurde, der sich in der Küche auf eine Bank setzte, unter der man ein gerade geschlachtetes Schwein versteckt hatte. Er bemerkte es nicht. Erinnert wurde an das große Unglück, das vielen Kindern an der Straße nach Maxhafen das Leben kostete, als sie einem vom deutschen Militär im Graben liegengelassenen Wagen untersuchten und die in ihm liegenden Granaten explodierten. Vielleicht war es eine für die anmarschierenden Engländer gestellte Falle. Ernst Engels lief es noch kalt über den Rücken, denn nur wenig vor der Explosion war er mit einem Freund auch in dem Unfallwagen gewesen. Sie hatte das Steuer herausmontiert und die Sitze. „Das Steuer stecken wir zu Hause in den Boden, stellen die Sitze dahinter auf, und so konnten wir in unseren Kinderträumen herrlich Auto fahren.“ Den Wagen, der die Leichen abtransportierte, hatte er gesehen. „Da tropfte das Blut heraus, ich werde dieses Bild nie vergessen.“ Es gab auch noch einen anderen Toten an der Metelener Straße, als die Engländer von Metelen aus mit ihren Panzern anrückten. Manfred Renkert, etwas über sechs Jahre, war mit einem jüngeren Spielkameraden Richtung Josefshaus unterwegs. In Höhe des Hauses Harweg – heute Zabel – sahen sie die Panzer kommen. Riesenangst. Im Galopp ging es Richtung Zuhause. Manfred Renkert schaffte es, wie man dem jüngeren Spielkameraden später erzählt nicht. Er kam unter einen Panzer. Allgemein waren die Erinnerungen an die Tommys gut, besonders bei den Menschen, die damals Kinder waren. Schokolade gab es und Weißbrotschnitten mit „Kinderwurst“, fingerdick geschnitten.  Für Paul Krümpel war die Zeit nach seiner Erinnerung eine herrliche Kinderzeit. Er habe aber nicht Engländer kennen gelernt, sondern nur Tommys, sagte er und fragte nach, woher dieser Name käme. Niemand konnte das beantworten.

Eine Nachfrage im Internet klärt auf:  Tommy war bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eine auch im deutschen Sprachraum weit verbreitete Bezeichnung für einen britischen Soldaten. Laut Peter Wende, emeritierter Professor für Neuere Geschichte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, entstand diese Bezeichnung bereits im frühen 19. Jahrhundert in Großbritannien. Seinen Recherchen zufolge ist seit 1815 belegt, dass die Musterbögen für die Aufnahme der Personalien von englischen Infanteristen und Kavalleristen den Namen Thomas Atkins aufwiesen, als Beispiel für das Ausfüllen der Formulare. Von diesem Mustermann Thomas übernahm man in England später umgangssprachlich die Kurzform Tommy als generelle Bezeichnung für einen englischen Soldaten.  Eine in die gleiche Richtung gehende Erklärung: Die Bezeichnung Tommy 'britischer Soldat, Engländer' kam 1837 im Zusammenhang mit einem kleinen Taschenbuch auf; es enthielt eine Tabelle der Ausrüstungsgegenstände, die die englischen Soldaten selbst bezahlen mussten; zum besseren Verständnis waren die Militärverwaltung als Lieferant und ein angenommener Soldat Thomas Atkins als Empfänger der Ausrüstung genannt. Dieser Name wurde in der Kurzform Tommy die volkstümliche Bezeichnung für den englischen Soldaten. Bei uns etwa seit 1900 (seit dem Boxeraufstand in China) verbreitet.  So manche nette Anekdote kam auf,  zu Pastor Benning, der seinerzeit oft Hausbesuche machte und dabei eine offene Hand hatte, wie man in späteren Jahren erfuhr. Wenn er etwas baulich oder so ändern wollte, gab er in der Regel dazu bekannt: „Das Geld habe ich schon.“ Eine „üble“ Erfahrung, die er dabei machte, ist weniger bekannt. Bei einem Hausbesuch so in 1946 an der Metelener Straße – in der Nazizeit die Adolf-Hitler-Straße – traf er auf einen sechsjährigen Knaben, dessen großer Schatz ein paar Glasmurmeln waren. Abgeben mussten die Kinder lernen und so verlangte er, ihm die Glasmurmeln zu geben. Ablehnung. Erst auf Drängen der Mutter erfolgte die Übergabe, aber in besonderer Weise. Sie wurden Pfarrer Benning mit aller Kraft ins Gesicht geworfen mit dem Bemerken „Dao häss se.“ Pfarrer Benning erzählt es ihm später. Es habe auf seine Fürbitte kein Strafgericht gegeben und die Murmeln hab er zurückgegeben.

So manches kam auf den Tisch, wie z.B. die Entnazifizierung ablief. Die Parteigenossen mussten Kartoffeln schälend mit einem entsprechenden Hinweis einen Tag in einem Schaufenster sitzen. Das soll das Geschäfts Gude gewesen sein. Man muss es einfach sagen: Wer damals im öffentlichen Dienst stand, musste, wollte er nicht arbeitslos werden, der NSDAP beitreten. Werner Janning bedankte sich mit einem Präsent bei Johannes Schoo, Hilde Blümer, geb. Engels, und Paul Krümpel für ihr Mitwirken.

„Ich glaube“, so sein Fazit, „ein solcher Kaminabend verlangt nach einer Fortsetzung.“